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Aufzucht frühzeitig planen
Grundsätzlich sollte schon bevor die
Stute gedeckt wird, geklärt sein, wie und wo das Fohlen aufgezogen werden soll.
Macht man sich erst kurz vor dem Absetzen darüber Gedanken, muss man oft mit faulen
Kompromissen leben. Bevor das Fohlen in einer dunklen Box aufwachsen muss, wäre
es dann wohl besser nicht geboren worden. Foto: © Mary R. Vogt, morgueFile.com
Inc. Foto: Stock.XCHNG
Es stellt sich deshalb zunächst einmal die Frage,
welche Bedürfnisse das Fohlen hat und wie man diese befriedigen kann. Während
das Fohlen noch bei der Mutter ist, meinen viele Pferdefreunde, dass Artgenossen
nicht so wichtig sind. Das ist allerdings eine Fehleinschätzung. Schon Saugfohlen
suchen Anschluss an gleichaltrige Spielgefährten. Die Mutter hat meist kein Interesse,
mit ihrem Nachwuchs zu spielen. Dennoch ist sie wichtig, um dem Fohlen Schutz
zu gewähren, es zu erziehen und über die Muttermilch zu ernähren. Es ist für das
Fohlen trotzdem totlangweilig, wenn es keinen Spielgefährten hat. Somit sollte
man mindestens zwei einigermaßen gleichaltrige Fohlen mit ihren Müttern auf einer
Weide halten können.
In einem Zuchtbetrieb, in dem sowieso mehrere Zuchtstuten
im Frühjahr ihre Fohlen zur Welt bringen, ist diese Anforderung viel einfacher
zu erfüllen als dies der Hobbyzüchter, der eigentlich nur das eigene Fohlen aufziehen
möchte, könnte. Ein zweites Fohlen zu ziehen, nur um dem anderen Jungpferd Gesellschaft
zu bieten, ist sicher nicht der richtige Weg. Wohin später mit dem „Zweitfohlen“?
Der Aufwand und das Risiko, eine zweite Stute – sofern überhaupt vorhanden – zu
decken, um einen Spielkameraden für das erste Fohlen zur Verfügung zu haben, geht
am Zuchtgedanken weit vorbei. 
Artgerechte Lebensbedingungen schaffen
Ein Fohlen ohne gleichaltrige
Artgenossen aufwachsen zu lassen, ist keinesfalls ratsam. Die Anforderung von
Spielgefährten hat für ein Fohlen Priorität. Sollte diese Voraussetzung erfüllt
sein, stellen sich weitere Fragen. Ebenso wichtig wie die Spielgefährten ist ein
entsprechend großer Auslauf beziehungsweise Weidegang. Es ist Tierquälerei, eine
Mutterstute mit Fohlen ganztägig in einer Box zu halten. Nur wenige Stunden Auslauf
reichen nicht aus, um das Bedürfnis an Bewegung, Licht und Luft zu gewährleisten.
Nur durch Bewegung können sich die Lungen weiten, Sehnen, Bänder und Knochen festigen.
Akzeptabel ist höchstens die Aufstallung der Mutterstute mit Fohlen während der
Nacht. Ansonsten sollte das Paar ganztägig Weidegang genießen können und dies
am besten in einer gemischten Herde, bestückt mit gleichaltrigen Fohlen, aber
auch älteren Pferden.
Wenn man Fohlen halten und aufziehen möchte, müssen
Stalleinrichtungen und Einzäunung diesen besonderen Anforderungen gerecht werden.
Fohlen schlüpfen schon mal durch einen Zaun, dessen Querstangen eine zu große
Lücke bieten.
Noch kennen sie keinen Elektrozaun und akzeptieren darum
dünne weiße Kunststoffbänder oder –seile nicht auf Anhieb. Diese besonderen Gefahren,
die bei erfahrenen, älteren Pferden nicht in der Form vorhanden sind, müssen einkalkuliert
und die Stallanlagen entsprechend angepasst werden.
Ecken und Kanten im
Stallbereich müssen entschärft werden, Arbeitsgeräte wie Heugabeln und Schaufeln
sollten sicher verstaut sein. Saugfohlen sind in der Regel noch nicht halfterführig
und laufen neben der Mutterstute frei mit, so dass im gesamten Stallbereich ein
verletzungssicheres Geläuf sichergestellt sein muss.
Irgendwann kommt
der Tag, an dem das Fohlen abgesetzt werden soll. Viele Fohlenbesitzer sind der
Ansicht, dass es noch ausreicht, das Fohlen erst jetzt in eine Herde mit gleichaltrigen
Artgenossen zu geben. Doch die ersten sechs Monate sind mit die wichtigsten Monate
im Leben eines Pferdes, weil hier die Prägephase stattfi ndet und Versäumtes nicht
mehr nachgeholt werden kann.
Nach dem Absetzen sind natürlich gleichaltrige
Artgenossen und Auslaufmöglichkeiten ebenso wichtig wie im Saugfohlenalter. Während
jetzt viele Fohlenbesitzer ihre jungen Pferde eher in einem Aufzuchtbetrieb unterbringen
und sie erst mit etwa drei Jahren wieder in den heimatlichen Stall holen, wäre
doch gerade diese Zeit – vom Absetzen bis zum Anreiten – eine gute Möglichkeit,
an der Erziehung des Pferdes zu arbeiten.
Oft sieht aber der Werdegang
eines jungen Pferdes so aus, dass sie als Saugfohlen verhätschelt werden, man
sie als Absetzer verwildern lässt und mit zwei Jahren viel zu früh zur intensiven
Arbeit heran zieht, weil man den Wildlingen sonst nicht mehr Herr wird. Besser
ist es allemal, die Fohlen im Saugfohlenalter in Ruhe zu lassen – hier übernimmt
die Mutterstute die Erziehung. Als Jährling und Zweijähriger kann der Mensch schließlich
das Zepter übernehmen und die Erziehungsarbeit an der Hand fortführen. Mit drei
bis vier Jahren geht die Ausbildung nahezu nahtlos in die Arbeit unter dem Sattel
über. Die artgerechte Haltung im Herdenverband sollte in allen Lebensphasen gewährleistet
sein. Damit ist eine leichtere Ausbildung garantiert, weil das Pferd physisch
wie psychisch ausgeglichen ist.
Gemischte Gruppen sind ideal
In der Praxis separieren viele Zuchtbetriebe die Jungpferde nach Geschlecht und
Alter, so dass die Jährlingsstuten zusammen in einer kleinen Herde zusammengefasst
werden, die Jährlingshengste eine Gruppe bilden und die zweijährigen Hengste unter
sich bleiben. Sinnvoller ist es aber, die Absatzfohlen, Jährlinge und Zweijährige
zusammen mit älteren Pferden zu halten. Dies entspricht der natürlichen Zusammenstellung
von Pferdeherden in Kleingruppen. Die älteren Pferde übernehmen damit die Erziehung
der Jungpferde und die jungen Tiere fühlen sich von den älteren beschützt. Außerdem
lernen die Jungtiere von den älteren Artgenossen. Diesen Vorteil sollte man sich
nicht entgehen lassen.
Die Aufzucht von Jungpferden in gemischten Kleinherden
hat sich bewährt, weil es den natürlichen Gegebenheiten am nächsten kommt. Die
gleichaltrigen Artgenossen dürfen hierbei aber auch nicht fehlen. Diese Konstellation
kann man mit etwas Glück auch in einem Pensionsstall vorfi nden, im eigenen Stall
lassen sich die Gruppen einfacher zusammenstellen. Wenn man nicht genügend und
geeignete eigene Pferde besitzt, kann man über Einstellpferde – ob Reit- oder
Aufzuchtpferde nachdenken. Berücksichtigen sollte man aber auch zueinander passende
Rassen, denn schwere Kaltblüter passen nicht gut zu grazilen Vollblutpferden.
Ponys und Quarter Horses, Hafl inger und andere Kleinpferderassen hingegen kann
man meist gut kombinieren.
In Eigenregie ist die Aufzucht von Jungpferden
aber nur dann anzuraten, wenn man genügend Erfahrung und Wissen im Umgang mit
jungen Pferden besitzt. Junge Pferde sind meist nicht so einfach zu händeln wie
ausgebildete Reitpferde. Auch die Fütterung muss speziell auf den Bedarf der jungen
Pferde abgestimmt sein. Aufzuchtfehler in Haltung und Fütterung rächen sich später.
So muss man Vieles bedenken, wenn man junge Pferde selbst aufziehen will. Doch
wenn man die notwendige Erfahrung sowie die örtlichen Voraussetzungen dafür hat,
ist dies eine interessante Erfahrung und eine große Bereicherung im Leben mit
Pferden.
Quelle:
Renate Ettl für westernreiter (EWU)
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