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Wussten Sie, dass die Rückenprobleme
ihres Pferdes auch daran liegen
könnten, dass Sie selbst unter Rückenschmerzen
leiden? Viele Reiter tun jede Menge
für die Fitness und Gesunderhaltung ihrer Pferde.
Doch wie steht es mit der eigenen Fitness
und Gesundheit? Die Erfahrungswerte zeigen,
dass 80 Prozent mindestens einmal in ihrem Leben
mit Rückenproblemen zu kämpfen haben.
Es ist nichts Neues, dass der Mensch im Beruf
und in der Freizeit viel zu häufig sitzenden Tätigkeiten
nachgeht. Doch der Mensch ist (wie auch
das Pferd) eigentlich ein Lauftier. Er ist nicht dafür
geschaffen, stundenlang in immer derselben
Position zu sitzen. Die Wirbelsäule und alle anderen
Gelenke, Bänder, Sehnen, Muskeln, Knochen
und sämtliche Organe des menschlichen
Körpers sind nicht danach ausgerichtet. Somit
entsteht eine Unterforderung des Organismus,
die wiederum zu erhöhter Verletzungsanfälligkeit
(aufgrund mangelnden Trainings) führt.
Das Zauberwort heißt Ausgleichssport, den der
moderne Mensch dringend nötig hat, um das
tägliche Bewegungsdefizit zumindest einigermaßen
auszugleichen. Der Reitsport ist hierfür
übrigens hervorragend geeignet. Der Umgang
mit dem Pferd verlangt dem Menschen vielseitige
Aktivitäten ab. Ob es sich um das Ausmisten
der Box oder das Putzen des Pferdes handelt
– da kann man schon ins Schwitzen kommen.
Bewegung ist ebenfalls nötig, um das Pferd auf
die Koppel zu führen, die Hufe zu reinigen, den
Koppelzaun zu reparieren oder das Heu aufzuschichten.
Wer all diese Arbeiten jedoch zahlenderweise
dem Pensionsstallbesitzer überlässt,
kann nur noch auf Aktivitäten wie Putzen, Satteln
und das Reiten selbst zurückgreifen. Doch
bei richtigem körperlichen Einsatz kann dies
allein schon ein hervorragender Ausgleich zum
stundenlangen Sitzen sein.
Rückenschonendes Verhalten
Bei jeglicher Tätigkeit ist es wichtig, die Arbeiten
rückengerecht auszuführen, um Schädigungen
vorzubeugen. Bei allen Arbeiten rund ums Pferd
kommen Hebetätigkeiten häufig vor: Der Kraftfuttersack
mit 30 oder gar 50 Kilogramm sollte
von einem erhöhten Punkt geschultert werden
und nicht mit den Armen getragen werden, um
die Wirbelsäule zu schonen. Der schwere Westernsattel
wird stets körpernah getragen – am
besten wird die Fork gegen die Hüfte gelegt und
die Hand umfasst das Cantle. Besser noch ist es
selbstverständlich, wenn der Sattel mit einem
Sattel-Caddy zum Pferd gefahren werden kann
und der Reiter den Sattel nur noch auf das Pferd
heben muss. Hierfür ist die richtige Technik und
viel Schwung entscheidend, um rückenschonend
zu arbeiten.
Will man die Hufe aufheben, sollte man sich
beim Bücken mit einer Hand am Oberschenkel
abstützen, um die Wirbelsäule zu entlasten.
Nicht sehr ratsam ist es aus Sicherheitsgründen,
dabei in die Hocke zu gehen, was sich jedoch
bei allen anderen Hebearbeiten (Aufheben von
Putzzeug etc. vom Boden) anbietet. Der Rücken
bleibt dabei stets gerade, die Hebekraft kommt
aus den Beinen. Allerdings sollten Kniegeschädigte
hier vorsichtig sein, denn diese Technik
belastet die Kniegelenke wiederum stärker.
Insbesondere ist es gerade für bereits rückenvorgeschädigte
Reiter wichtig, sich im Alltag
und im Umgang mit dem Pferd rückenschonend
zu bewegen. Spezielle Rückenschulen bieten
laufend Kurse an, die rückenschonendes Verhalten
lehren, wobei sich hierfür nicht nur bereits
Rückengeschädigte interessieren sollten, sondern
jeder, der durch gezielte Präventionsmaßnahmen
Rückenschäden erst gar nicht aufkommen
lassen will.
Es kann im Laufe des Lebens zu verschiedenen
Krankheitsbildern kommen, die sich in schmerzhaften
Rücken- und Gelenksschmerzen äußern.
Ein kurzer Umriss von Aufbau und Funktion der
Wirbelsäule hilft, die Krankheitssymptome besser
zu verstehen.
Aufbau und Funktion der Wirbelsäule
Die Wirbelsäule ist in seiner natürlichen Form
doppel-s-förmig. Diese Bauartgewährleistet
eine hervorragende stoßdämpfende Wirkung.
Die menschliche Wirbelsäule besteht aus sieben
Halswirbeln, 12 Brustwirbeln, fünf Lendenwirbelkörpern und dem Kreuzbein, das durch fünf
verschmolzene Wirbelkörpergebildet wird. Verbunden
sind die Wirbel durch Zwischenwirbelscheiben
– auch Bandscheibengenannt–, die als
Puffer fungieren und die gewohnte Flexibilität
der Wirbelsäule erst ermöglichen.
Die Bandscheibensitzen zwischen den Wirbeln
und bestehen jeweils aus einem äußeren Faserring,
in den der Gallertkern eingebettet ist. Gesichert
wird die Lage der Bandscheiben durch
die Längsbänder der Wirbelsäule.
Die Wirbelsäule dient als Haltegerüst des
Körpers, kann aber diese Funktion ohne die
notwendige Muskulatur nicht erfüllen. Die Rückenmuskulatur
ist in mehreren Schichten aufgebaut.
Dabei hat ein Teil der Muskulatur eine
Haltefunktion, andere wiederum sind für die
Bewegung verantwortlich. Die Muskeln gehen
teilweise in die Extremitäten über und greifen
ineinander, so dass die Muskulatur als komplexes
Gebilde zu verstehen ist, die teils mit
undteils gegeneinander arbeiten. Man spricht
hier von Antagonisten (Gegenspieler) und Synergisten
(Mitspieler). Der Antagonist verhindert
beispielsweise die komplette Kontraktion des
Partnermuskels. Jeder Muskel hat einen Antagonisten,
weil sich ein Muskel nur durch das
Zusammenziehen seines Gegenspielers wieder
dehnen kann. So ist der Gegenspieler der Rückenmuskulatur
die Bauchmuskulatur, was gerade
für den Reiter sehr bedeutsam ist.
Wird die Bauchmuskulatur angespannt, dehnt
sich der Rückenmuskel und das Becken kippt
nach hinten ab. Das richtige Zusammenspiel
von Bauch- und Rückenmuskulatur (in ganz allgemeiner,
vereinfachter Vorstellung) ist notwendig,
dass der Reiter im Sattel die Bewegungen
des Pferdes auszugleichen vermag.
Krankheitsbilder
Schmerzt der Rücken beim Reiten (oder im Alltag
bei bestimmten Tätigkeiten) können verschiedene
Krankheitsbilder dafür verantwortlich
sein. Die Abklärung durch einen Arzt ist selbstverständlich
obligatorisch, insbesondere im Hinblick
darauf, ob das Reiten im Krankheits-/Verletzungsfall
überhaupt empfehlenswert ist.
Rückenschmerzen kann viele Ursachen haben.
Die Diagnose ist durch einen Arzt abzuklären,
der letztendlich auch darüber entscheidet, ob
die Erkrankung oder Verletzung eine reiterliche
Betätigung zulässt. Von einfachen Muskelverspannungen
angefangen können Schmerzen im
Rücken durch verschiedene andere Krankheiten
ausgelöst werden. Entzündliche Erkrankungen
wie Rheumatismus (Gelenksentzündung von
Gelenken oder Weichteilen) oder Morbus Bechterew
(Spondylitis ankylosans, eine chronische,
rheumatische Wirbelsäulenerkrankung) verbieten
die sportliche und somit auch reiterliche
Betätigung. Bei einer Osteoporose (Knochenschwund
durch Abbau der Knochensubstanz)
ist Reiten durchaus möglich, wobei jedoch das
Frakturrisiko bei einem Unfall deutlich erhöht
ist. Da beim Reiten Rücken- und Bauchmuskulatur
trainiert werden und somit die Wirbelsäule
in ihrer Stützfunktion unterstützen können, ist
das Reiten sogar eine sinnvolle Sportart, wenn
sie unter Gesundheitsaspekten (kein Leistungssport,
kein Springen oder Vielseitigkeit etc.) ausgeübt
wird.
Auch bei Lähmungen ist Reiten ein wichtiger Aspekt,
um ausgeglichene Bewegungen zu fördern
und die allgemeine Fitness zu stabilisieren.
ebenfalls
mit Hilfe des Reitsports verbessert werden.
In diesen Fällen helfen spezialisierte Trainer im
Rahmen des Therapeutischen Reitens weiter.
Bandscheibenschäden sind sehr verbreitet und
gelten bereits als Volkskrankheit. Ärzte sind
sich darüber nicht immer einig, ob Reiten bei
Bandscheibenproblemen sinnvoll ist. Die Tendenz
geht jedoch dahin, dass Reiten empfohlen
wird, so lange keine akuten Schmerzen auftreten,
weil auch hier das Training der Rücken- und
Bauchmuskulatur die Wirbelsäule stützen helfen
und damit der Schmerz reduziert oder gar
vollständig beseitigt werden kann.
Die Degeneration der Bandscheiben ist ein
natürlicher Prozess und setzt bereits in jungen
Jahren ein. Mit zunehmendem Alter verschmälert
sich der Abstand zwischen den Wirbeln
durch Verschleiß. Durch diesen Verschleiß kann
das Faserring der Bandscheibe brüchig werden
und der Gallertkern herausgequetscht werden.
Dieser kann schließlich gegen die Nervenwurzeln
und das Rückenmark drücken (Bandscheibenvorfall),
was die typischen Rückenschmerzen
auslöst.
Die Bandscheiben müssen mit Nährstoffen versorgt
werden, um funktionstüchtig zu bleiben
und ihre Pufferwirkung zu gewährleisten. Hierzu
ist viel Bewegung notwendig. Eine mäßige
sportliche Betätigung kann frühzeitigen Verschleißerscheinungen
vorbeugen und die Bandscheiben
gesund erhalten. Das Reiten kann hier
auch eine gute Prävention darstellen, da die gerade
Körperhaltung und das dynamische Sitzen
einen hervorragenden Trainingseffekt für die
Bandscheiben darstellen.
Rückentraining zu Pferd
Um die Gangarten des Pferdes aussitzen zu
können, muss der Reiter seine Rumpfmuskulatur
entsprechend beanspruchen. Dabei wird der
Körper trainiert und stabilisiert. Der Schritt hat
sogar eine fast massierende Wirkung auf den
Rücken, da die Bewegung abwechselnd links
und rechts kreisförmig auf den Reiter einwirkt.
Der Trab gibt die deutlichsten Stöße auf die Wirbelsäule
ab, die durch nach hinten abkippende
Beckenbewegungen ausgeglichen werden. Die
Bandscheiben sind gefordert, die Stöße abzufangen.
Bei akuten Bandscheibenproblemen
und hart zu sitzenden Pferden kann der Reiter
Probleme bekommen, die Gangart noch zu sitzen.
Um den Rücken nicht zu überstrapazieren,
ist es darum besser leicht zu traben oder den
leichten Sitz einzunehmen. Der Galopp ist eine
sehr schwungvolle Bewegung, bei der ebenfalls
eine kreisförmige Aktion mit dem gesamten
Becken ausgeführt werden muss und ein gutes
Training für die Rückenmuskulatur darstellt.
Wer also Rückenschäden vorbeugen will, kann
dies durch gemäßigtes Reiten tun. Auch hier
bieten sich spezielle Rückenschulprogramme
an, die der Prävention und der Sekundärprävention
(Reiten bei bereits vorhandenen Rückenproblemen)
dienen. Dabei ist nicht nur
der korrekte Sitz in allen drei Grundgangarten
das Mittel, sondern weitere Übungen, die die
Flexibilität, die Entspannung und Stärkung des
Rückens fördern. Verschiedene gymnastische
Übungen spielen dabei eine Rolle. Diese Übungen
sollten am besten an der Longe und im
Schritt ausgeführt werden, wobei ein geschulter
Trainer (Ausbilder im Reiten als Gesundheitssport
- Übungsleiter Prävention) die Übungen
für den jeweiligen Schüler gezielt auswählt. Auf
diese Weise ist es möglich, speziell auf die Sitzund
Rückenprobleme eines jeden Einzelnen
einzugehen. Ein gezieltes Programm schützt vor
Rückenschmerzen kurz- und langfristig und festigt
den korrekten Sitz.
Quelle:
Renate Ettl für westernreiter (EWU)
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