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Biomechanik beim Pferd: Einige Aspekte eines Vortrages von Dr. Gerd Heuschmann mit persönlichen Abschweifungen
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(Petra Kleinwegen) Kundige Kurse zur Biomechanik des Pferdes sind rar. So nimmt Westernreiter denn auch gern mal einen Termin eines FN-geprägten Fachmenschen wahr und begibt sich nach Ratingen zu einem Vortrag des streitbaren Tierarztes Dr. Gerd Heuschmann. Der Schwerpunkt des Vortrags war die Funktion und das Training von Muskeln und Bändern in Bezug auf das Gerittensein der Pferde. Außen vor blieben die Auswirkungen des individuellen Skelettes (Längenverhältnisse und Winkelungen) auf bestimmte Bewegungsmechaniken. Aber alles auf einmal geht auch nicht, dazu ist die gesamte Thematik für einen 4-Stunden-Vortrag zu komplex, vor allem, wenn Fragen und Rückmeldungen der Zuhörer erwünscht sind.

Der Vortrag griff zum Teil die Ausführungen von Dr. Heuschmann auf, die bereits in seinem Buch "Finger in der Wunde" und auf seiner DVD "Die Stimmen der Pferde" zu erfahren sind. Es war sehr interessant und einprägsam, auch noch einmal direkt mit diesen Punkten konfrontiert zu werden. Schlüssig erläutert und diskutiert wurden die Punkte "Der Rückenmuskel ist kein tragender Muskel, sondern ein Bewegungsmuskel" sowie die sich daraus ergebenden Fragen wie "Wie trägt das Pferd den Reiter denn dann?", "Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das tägliche Training" und "Welche Ursachen können verschiedenen allgemeinen Problemen beim Reiten zugrunde liegen?"


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Als Fazit des sehr informativen und unterhaltsamen Nachmittags bleiben Informationen, die manch einem sicher auch unangenehm aufstoßen. Das junge Pferd balanciert das Reitergewicht mit Hilfe des Nackenbandes aus und braucht dafür unbedingt ausreichend Kopffreiheit, sonst werden die Rückenmuskeln zu sehr als Tragemuskeln missbraucht. Es muss die Gelegenheit haben, die Nase tief und vor allem vor der Senkrechten zu halten. Im Laufe des Trainings kräftigen sich die Muskeln; hier sind vor allem die oberen Halsmuskeln wichtig, die mit zunehmender Kraft die Wirbelsäule in eine Position ziehen, in der das Pferd den Reiter tragen kann, ohne die Rückenmuskeln dafür gebrauchen zu müssen, so dass diese ihre Funktion als Bewegungsmuskeln ungestört erfüllen können. Ein solches Training bedarf eines längeren Zeitraumes, der an sich auf zwei Jahre veranschlagt werden kann, beim gut gezogenen modernen Warmblut können es auch mal "nur" anderthalb Jahre sein.


Erläutert wurde außerdem, worauf beim korrekten Stellen des Kopfes zu achten ist. Auch hier wieder die Prämisse "Die Nase muss immer vor der Senkrechten sein", sonst klappt das Stellen rein aufgrund der Konstruktion des Genicks nicht mehr und das Pferd kann sich dort nur noch festmachen. Und, so die weitere Erläuterung: Genick fest – Rücken fest – alles fest.

Verspannung wurde als die Ursache sehr vieler Gesundheits- und Rittigkeitsprobleme beschrieben. Häufige Ursachen: Man vergisst die Pausen (erfahrene Reiter arbeiten immer in sehr kurzen Reprisen von wenigen Minuten), man verwechselt das Bedürfnis eines Pferdes nach Pause (z. B. der vor allem beim jungen Pferd nach einer Weile auftretende Versuch, sich herauszuhebeln und sich zu verwerfen) mit Widersetzlichkeit und beginnt mit Korrekturmaßnahmen, man versucht, Verspannungen durch Gegenziehen zu lockern (z. B. den Hals des Pferdes nach rechts ziehen und dort halten, wenn es sich auf der linken Seite festmacht). Nicht zuletzt wurde die Überdehnung des Nacken-Rückenbandes und die dadurch entstehenden Problematiken erläutert, die durch die laterale Hyperflexion (Rollkur) auftreten, also das (längerfristige) Engmachen des Pferdes hinter die Senkrechte bei tiefer Kopfposition.


Auch das Thema "Zügellahmheit" kam zur Sprache und wurde anhand einiger Video-Beispiele demonstriert. Zügellahmheit beruht nicht auf diagnostizierbaren Entzündungen von Bändern, Sehnen oder Gelenken; sie hat ihre Ursache fast immer in physischen Verspannungen, sei es durch falsches Training, durch zu große Sättel, die Druck auf den empfindlichen Lendenbereich ausüben oder auch durch psychischen Stress.

Für viele überraschend war sicher die Aussage, dass ein Pferd, das locker über den Rücken schwingt, zwar für eine gute Dressur (so wie man sie gelegentlich auch innerhalb der FN-Welt durchaus noch sieht) unabdingbar ist, dass aber ein Reiten "ohne Rücken" absolut kein Problem darstellt, solange die Rückenmuskeln entspannt ihre Aufgabe als Bewegungsmuskeln erfüllen können. Auch das Spazierreitpferd, das ohne schwingenden Rücken, aber entspannt am langen Zügel, Kopf tief, Nase vor, Öhrchen vorn, mit zufriedenem Gesicht seinen Reiter durch die Gegend trägt, ist gesundheitlich gut dran. Distanzpferde beispielsweise laufen am besten und am "haltbarsten", wenn sie sich selbst ausbalancieren können, Kopf und Hals also frei haben, und den Reiter über das Nacken-Rückenband tragen können. Das erlaubt zum einen dem langen Rückenmuskel, seine Aufgabe als Bewegungsmuskel ungestört auszuführen, andererseits wird das Pferd eher schwunglose, also gelaufene Bewegungsabläufe wählen, weil diese kräfteschonender, ökonomischer sind. Heuschmann erwähnte, dass selbst die altvorderen Klassiker im Sinne der Légèreté (von de la Guérinière bis hin zum Meister der Neuzeit, Nuno Oliveira) oftmals Pferde mit "losem Rücken" ausbildeten, die dann z.B. einen sehr langsamen, gelaufenen Trab ohne Schwebephase und einen sehr langsamen, gelaufenen Galopp im Viertakt zeigten.

Was den Westernreiterling dann gleich mal an die Pleasurepferde denken lässt. Wobei mir hier die Transferleistung zum Westernreiten schwer fällt, da es nicht ganz dieselben Paar Schuhe ist und es mit dem ausreichend breitflächigen Hintergrundwissen hapert. Dennoch drängen sich u.a. die vielen Worte von Jean Claude Dysli zum Thema "französische Balancereiterei" mal wieder nachdrücklich ins Vorderhirn. Der Aspekt, dass ein Pferd mit tiefem Kopf und Nase vor der Senkrechten allein durch diese Position das Nacken-Rückenband streckt und somit den "Rücken anhebt", in Verbindung mit eher gelaufenen als schwungvoll "durchgetretenen" Gängen, wäre ein genaueres Nachfragen bei guter Gelegenheit wert. Vor allem im Zusammenhang mit der Tatsache, dass jedes hinter die Senkrechte Bringen des Pferdes das Nacken-Rückenband überdehnt und trotz ggf. kurzfristiger Erfolge dem Pferd auf lange Sicht massiv schadet – was u.a. zu einem kritischeren Blick auf viele Reiningpferde im Showring, aber ganz allgemein auch auf allgemeine tägliche Trainingsgewohnheiten führen sollte.

Aber trotzdem können wir Westernreiter stolz auf uns sein, We Can Do It! (Zwinker) Beeindruckt äußerte sich Dr. Heuschmann über einen älteren Cowboy, der kürzlich bei ihm zu Gast war. Dessen Ausführungen zur Verbundenheit des Cowboys mit seinem Arbeitspferd hatten ihn sehr nachdenklich gestimmt, vor allem die geschilderte Bereitschaft des Pferdes, kleinsten Signalen zu folgen und nach einem Moment der höchsten Anspannung wieder ruhig dazustehen, bei dem Reiter zu bleiben und in aller Gelassenheit am losen Zügel auf ihn und seine weiteren Wünsche zu warten. Wie anders, sinnierte er, sei das Bild bei vielen Dressurpferden, die bei losgelassenem Zügel sofort und im Höchsttempo die Arena verlassen würden. Auch die unkomplizierte, aber nachdrückliche Art des Cowboys, Sachverhalte zu analysieren, beeindruckte ihn. Anlässlich eines Turnierbesuches betrachtete der Cowboy sich eine Zeitlang das Ziehen, Stechen und Würgen auf dem Abreiteplatz und fasste dann das Gesehene lakonisch zusammen: "They don't love their horses." Ein Satz, den sich jeder – ohne sich im selbstpersönlichen Gutmensch-Eiteitei zu verlieren – durchaus immer mal wieder vergegenwärtigen sollte. Also nicht nur "die da", sondern auch "wir hier".

von Petra Kleinwegen

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