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AQHA vs. DQHA: Dexit – warum die Mitglieder der DQHA jetzt einen kühlen Kopf behalten sollten
 
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Großbritannien ist seit dem 1. Februar 2020 kein Mitglied mehr der Europäischen Union, der es 1973 beigetreten war – und auch der älteste deutsche Westernzuchtverband DQHA denkt sehr ernsthaft darüber nach, nach 40 Jahren kein Partnerverband mehr der AQHA zu sein – ein Dexit sozusagen.



Auslöser für diese Debatte ist die Frage, wer das Ursprungszuchtbuch für „American Quarter Horses“ führen sollte und könnte – die AQHA als Mutterverband, gegründet am 14. März 1940 in USA, oder die DQHA, gegründet am 22. November 1975 in Erftstadt. Der DQHA Vorstand hat dazu ein "statement of intent" mit der AQHA unterzeichnet, bis zum 1. Mai 2020 seinen Anspruch als Ursprungszuchtbuch gegenüber der aufsichtführenden Behörde LfF in Bayern aufzugeben.

Dahinter steckt nicht nur die tierzuchtrechtlich relevante Frage, wer die Deutungshoheit über das Zuchtziel für „American Quarter Horses“ festlegt, sondern auch die damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen, die mit der Eintragung dieser Pferde einhergehen, die deutlich über die Erstellung von rechtskonformen Equidenpässen hinaus gehen.

Und so verwundert es nicht, daß bei der Diskussion, die öffentlich vor allem auf facebook geführt wird, gerade diese finanziellen Aspekte weit in den Vordergrund geschoben werden.


Die DQHA profitiert von AQHA-Eintragungen und AQHA-Turnieren gleichermaßen

260.000 USD würden für die Eintragungen von „American Quarter Horses“ an die AQHA bezahlt werden, die „uns als Züchter im Stich lässt“, wie es heisst.

Fairerweise sollte man dabei nicht vergessen, daß davon auch die DQHA profitiert, alleine durch die Ausstellung der Equidenpässe: 1.300 Fohlen mit DQHA-Equidenpässen für min. 90 EUR zzgl. Mitgliedschaften sind eben auch schnell 250.000 EUR oder 275.000 USD – im Jahr.

2018 betrugen die Einnahmen der DQHA für Equidenpässe 127.174,95 EUR, für Mitgliedschaften 498.424,91 EUR und für AQHA Transaktionen 48.181,87 EUR - ein nicht unerhebliches finanzielles Volumen, das mit American Quarter Horses verbunden ist (siehe hier)

Und wer weiterhin argumentiert, dass die AQHA angesichts „im Jahr zigtausende Euro an Show-Approval und AQHA Fees“ die deutsche High Point-Wertung erstellen solle, unterschlägt, dass die DQHA sich bereits für die High Point-Erstellung von den Turnierveranstaltern bezahlen lässt (nachzulesen im DQHA-Approval):

Zwischen 25 EUR und 300 EUR werden jedem AQHA-Turnier berechnet, wenn die Ergebnisse in die DQHA High Point-Wertung einfließen sollen. Insgesamt kommen so auf Basis der Starterzahlen rechnerisch 4.075 EUR zusammen, allein die großen Turniere von EM bis DQHA-Regiofuturitys spielen 2.450 EUR ein. Offensichtlich ist dieser Betrag nicht ausreichend - die DQHA bittet derzeit ihre Mitglieder, die High Point-Wertung 2019 selber auf Fehler zu prüfen (siehe hier).


Dexit und Brexit – die Parallelen sind frappierend

Wer die politische Diskussion um den Brexit verfolgt hat, erinnert sich – auch Boris Johnson hatte im Wahlkampf damit geworben, die 350 Millionen Pfund, die Großbritannien wöchentlich an die EU beisteuerte, in Zukunft im eigenen Land zu investieren. Dass er dabei die Rückzahlungen und Konsequenzen eines Austritts verschwieg, gehörte durchaus zur Strategie – er wurde zum Premierminister gewählt und führte Großbritannien letztendlich aus der EU.

Und so lautet eben auch zum „Dexit“ die Argumentation, dass man die „500.000 USD“, die jährlich an die AQHA gezahlt werden, in Zukunft ohne die AQHA „bestimmt reduzieren“ könne und „für uns DQHA Mitglieder im europäischen In- u. Ausland besser verwenden“ könne.

Die DQHA ist der einzige Verband innerhalb Europas, der sich selbst als Ursprungszuchtbuch gegenüber den inländischen Ministerien bezeichnet. Alle anderen europäischen, anerkannten Zuchtverbände geben rechtkonform (!) als Ursprungszuchtbuch die AQHA als „Studbook of the origin of the breed“ an, inkl. den Schweizern oder den Briten – nachzulesen hier.

Kurz: Nur in Deutschland wird das „American Quarter Horse“ anders definiert als bei der AQHA in den USA – nachzulesen hier.

Damit wird zunächst deutlich, daß die DQHA -bis jetzt- zunächst nur für sich und die Interessen ihrer Mitglieder sprechen kann, denn das Problem, das aktuell besteht und Auslöser dieser Diskussion ist, ist ein deutsches Problem, keines der anderen europäischen AQHA-Töchter.


Die AQHA ist derzeit in einem desaströsen Zustand

Tatsächlich ist es fast unglaublich, was sich seit über einem Jahr bei der AQHA, immerhin dem größten Pferdezuchtverband der Welt, abspielt: Durch eine erneut missglückte Umstellung des IT-Systems kann man allen Kritikern derzeit nur recht geben, die ihre Erlebnisse schildern:

Nicht weniger als die Integrität des amerikanischen Zuchtbuches muss in Frage gestellt werden, wenn Mitglieder Papiere und Transfers bekommen für Pferde, die ihnen nicht gehören, DNA-Ergebnisse nicht weitergeleitet werden und generell alles in Frage gestellt werden muss, was jahrzehntelang als sicher galt.

Aber eines muss auch jedem Züchter klar sein: Die AQHA ist von sich aus schon gezwungen, diese Misstände zu beheben, immerhin leben 86% aller AQHA-Mitglieder in den USA, in Deutschland sind es nur 3%.


Ist das Band zerrissen zwischen AQHA und DQHA?

Es ist schon fast beängstigend zu sehen, wie spät öffentlich gemacht wird, wie angespannt das Verhältnis zwischen dem Mutterverband AQHA und seinem immerhin dem größten Tochterverband ausserhalb der USA und Kanadas, der DQHA, ist. 2010 wurde mit dem AQHA Hall of Famer Johannes Orgeldinger ein Deutscher zum AQHA-Präsidenten ernannt, seit Jahren ist Deutschland mit fünf Vertretern im erweiterten AQHA-Vorstand vertreten, 2016 wurden mit AQHA Executive Vice President Craig Huffhines noch „die Bestimmungen der europäischen Verordnung und deren Auswirkungen auf die Zusammenarbeit besprochen“ (siehe hier).

2018 machte die AQHA bereits in Brüssel deutlich, daß sie das „studbook of origin“ führt (siehe hier) und damit alle anderen Zuchtverbände in Europa lediglich Filialzuchtbücher sein können. Die AQHA manifestierte das mit der Anerkennung als Zuchtverband aus einem Nicht-EU-Land und der Befähigung, „EU- konforme Zuchtbescheinigungen für Zuchttiere und Zuchtmaterial“ ausstellen zu können (siehe hier).

Anfang 2020 führt ein Schlichtungstreffen zwischen AQHA, DQHA, LfL und EU-Kommission (Dr. Alf-Eckbert Füssel) letztendlich zu dem Ultimatum der AQHA, und mittlerweile besteht das Vokabular aus „Erpressung“, „Datenklau“, „abgewirtschaftet“ und einer Unvereinbarkeit von „Tierwohl und Tierschutz“.

Am gestrigen Freitag veröffentlicht erst die AQHA ihre Sicht der Dinge (siehe hier), wenige Stunden später am Samstag Morgen auch die DQHA (siehe hier).

Wie konnte diese atmosphärische Veränderung den DQHA-Mitgliedern so lange verborgen bleiben?


Was wird für Quarter Horse-Züchter besser, wenn die DQHA sich von der AQHA löst?

Nüchtern betrachtet kann man diese Frage schnell beantworten – besser wird nichts.

Stichwort Doppel-Kosten: Der Aufwand, der mit den „doppelten Mitgliedschafts- und Registrationskosten“ verbunden ist, wird weiter bleiben, denn wer ein „American Quarter Horse“ sein Eigen nennen will, wird auch in Zukunft nicht drum herumkommen, dieses bei der AQHA in den USA eintragen zu lassen.

Und diese Züchter werden weiterhin einen (europäischen) Zuchtverband brauchen, der ein solches Pferd tierzuchtrechtlich korrekt in ein Zuchtbuch aufnimmt und als „American Quarter Horse“ mit den in Europa notwendigen Dokumenten ausstattet.

Sollte dafür in Deutschland die DQHA zuständig bleiben, wäre das aktuell nur denkbar, wenn sie den Anspruch als Ursprungszuchtbuch aufgibt und sich wie die anderen europäischen AQHA-Töchter als Filialzuchtbuch wahrnimmt. Damit würde sich nicht viel ändern, denn Filialzuchtbüchern ist die Führung eigener Abteilungen weiterhin erlaubt.

Dafür gibt es einige Beispiele in Deutschland: Verschiedene Zuchtverbände in Deutschland betreuen amerikanische Pferderassen, deren Ursprungszuchtbuch in den USA liegt: Das American Miniature Horse (AMHA) wird bspw. vom Bayerischer Zuchtverband für Kleinpferde und Spezialpferderassen e.V. betreut, ebenso wie der Kiger Mustang.

Wer jedoch damit argumentiert, daß ein „AQHA-Mitglied doppelt zahlt“ und sparen möchte, kann konsequenterweise nur meinen, in Zukunft ein eigenes, von der AQHA unabhängiges Zuchtbuch für „Quarter Horses“ in Deutschland zu etablieren – und sich so in Europa weiter zu isolieren.

Denn dadurch würden zwei Typen „Quarter Horses“ manifestiert werden:

Das originale „American Quarter Horse“, das bei der AQHA eingetragen worden ist und der alle europäischen Quarter Horse-Zuchtverbände als Ursprungszuchtbuch folgen, hingegen der man aus deutscher Brille aber vorwirft, keine „haltbaren und korrekten Pferde“ mehr zu fördern, sondern einen Rassetypen, der immer „filigraner“ und von Medikamenten der Sponsoren abhängig ist.

Und ein wie auch immer bezeichnetes „German Quarter Horse“, das seine Heimat in Aschaffenburg hat, ca. 1,45 – 1,65 m Stockmaß aufweist und durch die „DQHA Grundsätze des Ursprungszuchtbuches“ definiert wird (siehe hier). Und das sich perspektivisch von der größten Pferderasse der Welt, dem American Quarter Horse, entfernen wird.

Damit verbunden sind die tierzuchtrechtlichen Anforderungen an Tierzuchtbescheinigungen und Equidenpässe für reinrassige Zuchtequiden: Als Ursprungszuchtbuch könnte die DQHA dann nur noch die Equidenpässe mit Tierzuchtbescheinigung ausstellen, deren Rasse sie vertritt, eben dem „German Quarter Horse“. Die anderen „American Quarter Horses“ würden wohlmöglich von einem anderen europäischen Verband betreut und die DQHA könnte sich als Filialzuchtbuch dafür bewerben.

Stichwort „eigenes Showsystem“: Wieviel Geld müsste die DQHA aufwenden, um neben den seit Jahrzehnten etablierten AQHA-Turnieren ein eigenes, attraktives Programm erfolgreich anzubieten?

Die Erfahrungen der letzten Jahre machen da nicht sehr optimistisch - erst im letzten Jahr hat die DQHA ihr „Direkt-Programm“ aus mangelndem Erfolg wieder einstampfen müssen (siehe hier).


Was wollen die DQHA-Mitglieder – und die Quarter Horse-Züchter?
Die kommenden Wochen werden entscheidend sein für die Quarter Horse-Zucht in Deutschland


Vor dem Hintergrund, daß die AQHA nun mit dem „Letter Of Intend“, der vom DQHA-Vorstand vor dem European Summit in Rom unterschrieben, den DQHA-Mitgliedern aber noch nicht vorgestellt wurde, eine Entscheidung herbeiführen will, haben die DQHA-Züchter auf jeden Fall in dieser Diskussion das letzte Wort, auch wenn dieser „Letter Of Intend“ durchaus verbindlich sein kann.

Nur sie können – notwendigerweise kurzfristig auf einer außerordentlichen Hauptversammlung – darüber entscheiden, ob sie

1) auch in Zukunft von der AQHA anerkannte „American Quarter Horses“ züchten, halten, showen und reiten wollen und dabei weiterhin in ihrem Sinne von der DQHA unterstützt werden wollen oder

2) der DQHA zutrauen, sich soweit von der AQHA zu emanzipieren, dass die DQHA „ein eigenes Showsystem mit einer eigenen Highpointwertung“ im Rahmen eines eigenen Zuchtbuches für „German Quarter Horses“ führen kann.

Eine Entscheidung, deren Tragweite heute noch gar nicht abzusehen ist und massiv von dem Informationsgehalt abhängig ist, den man den Mitgliedern anbietet.

Denn die derzeit die in den Fokus gerückten Argumente vermischen sich – Geld, Service, Rechtslage und daraus abgeleitete ministerielle Anforderungen gehören sauber getrennt und isoliert betrachtet.

Anders als beim Brexit bleibt hier die Hoffnung, daß die deutschen Quarter Horse-Züchter am Ende einen gesunden Kompromiss einfordern werden, der weniger von der aktuellen Gefühlslage und der persönlichen Ambition der handelnden Akteure abhängig ist, sondern davon getrieben ist, dass alle Konsequenzen einer Entscheidung sachlich betrachtet und bewerten werden konnten.

Wie beim Brexit ist eines ganz klar:

Irgendwie geht es auch nach dem Brexit weiter – ob es aber wirklich besser wird, bleibt zunächst nur ein Versprechen derjenigen, die ihn befürwortet haben.




Fragen? Die 20 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter,
z.B. Pat Faitz, Sylvia Katschker und Sylvia Jäckle für den Bereich AQHA.
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Quelle wittelsbuerger.com

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