Dennoch
könnte der Werdegang der beiden größten deutschen Westernverbände unterschiedlicher
kaum sein. Während die DQHA sich mehr um das Premiumsegment im Sport kümmert wollte,
überließ man der EWU zunächst gerne das Feld der Freizeitreiter und Haflingerbesitzer.
Das
hatte zur Folge, dass sich zwei Paralleluniversen im Westernsport etablierten
– die EWU-Reiter auf der einen Seite, die AQHA-Reiter auf der anderen Seite. Der
gegenseitigen Freundlichkeiten untereinander gab immer zuhauf, Sticheleien über
die „pleasurenden Kaltblüter“ einerseits und die „arroganten Viertelpferd-Reiter“
andererseits sind jedem geläufig und werden genauso gepflegt wie negiert. Aber
was macht den EWU-Sport aus, der sich zunehmend emanzipiert und vor kurzem mit
der Entscheidung, keine dreijährigen Pferde mehr im Sport zuzulassen, für ein
mittleres Beben in der Branche gesorgt hat? Und
wie groß sind die Unterschiede wirklich zwischen dem Sport der rasseoffenen EWU
und dem Quarter Horse-Sport in Deutschland? Erstmals
ist es wittelsbuerger.com nun möglich, dank der Mithilfe der beiden großen deutschen
Verbände, einen direkten Vergleich anzustellen zwischen dem Sport in der EWU und
dem AQHA-Sport. Basis
für die vorliegende Betrachtung sind die Turnierdaten der EWU, die uns durch die
Geschäftsstelle in Warendorf zur Verfügung gestellt worden sind, sowie die Turnierstatistik
2006 der AQHA und Daten der DQHA.
Der EWU-Sport Als
rasseoffener Reitverband verfügt die EWU naturgemäß über deutlich weniger Disziplinen
als jeder Rasseverband. Klassen wie Halter, Hunter Under Saddle oder Ranchhorse
Versatility sucht man hier vergebens. Die EWU-Disziplinen werden in verschiedene Leistungsklassen
(LK 1-5) unterteilt, die auf einem Punktesystem beruhen, das dem Allaroundsystem
der AQHA ähnelt. Für jeden geschlagenen Teilnehmer in der Platzierung gibt es
einen Punkt plus 1 Punkt in der vorgesehenen Platzierung. Zusätzlich werden
Platzierungen auf Landes- oder Bundesmeisterschaften multipliziert. Während die LK 5 für den Einstieg in das Turnierreiten
vorgesehen ist, ist die LK1 die höchste Leistungsklasse. Und noch etwas zum Umgewöhnen:
Jugendliche finden sich nicht in einer einzelnen Division wieder wie bei der AQHA,
sondern mit dem Kürzel B in allen Leistungsklassen von 1 bis 5. Ein Beispiel: Die Klasse LK 3 kann es für Jugendliche
geben (LK 3 B) oder für Erwachsene (LK 3 A).
Der AQHA-Sport
Bei der AQHA existieren drei „Leistungsklassen“ – Open
für alle Reiter, Amateur für nichtberufliche Vorsteller und Youth für die Jugendlichen.
Mit Hinblick auf die Einsteiger wurden vor einigen Jahren die Bereiche Amateur
und Youth noch in die Divisions Novice Amateur und Novice Youth unterteilt, bei
der Reiter bis zu einer erreichten Punktzahl startberechtigt sind. Eine Qualifikation für eine Deutsche oder Europameisterschaft
findet nicht statt, für die AQHA World Show (in den USA) gibt es für jede Klasse
eine bestimmte Mindestpunktzahl, die erreicht werden muss, um daran teilnehmen
zu können. Als Zuchtverband verfügt die AQHA über wesentlich mehr
Disziplinen. Dazu gehören die Halterklassen sowie eine Vielzahl von English Classes
(Hunter, Jumping) und Rinderklassen (Ranchhorse Versatility, Roping).
Hätten Sie´s
gedacht? Jedes fünfte Quarter Horse ist im EWU-Turniersport Bei
der Analyse auf Basis der Informationen, die uns EWU, AQHA und DQHA zur Verfügung
stellten, kam Erstaunliches heraus, und das begann schon bei den Rahmendaten. Von
den 13.016 erfassten Pferden im EWU-Turniersport zählen über die Hälfte zu den
klassischen Westernpferderassen - 5.008
Quarter Horses, 1.295 Paint Horses und 632 Appaloosa. Interessant dabei: jedes
fünfte in Deutschland lebende Quarter Horse findet sich also im EWU-Turniersport
wieder.
Die Mitgliedsstrukturen
– DQHA stark in Bayern, EWU in Baden-Württemberg
Eines
kristallisiert sich deutlich heraus beim Vergleich der Mitgliedszahlen beider
Verbände: Westernreiten findet im Süden statt. DQHA und EWU haben die meisten
Mitglieder im Süden Deutschlands und die wenigsten im Osten. Bei der Rangfolge
der Regionen gibt es keine Unterschiede – Süd, West, Nord, Ost, ein sicheres Indiz
für die Verbreitung des Westernreitsports in den Regionen Deutschlands.
Bei
der Feinanalyse nach den einzelnen Bundesländern zeigen sich aber die unterschiedlichen
regionalen Erfolge der beiden großen Verbände. Während in Baden-Württemberg die
EWU mehr als doppelt so viele Mitglieder wie die DQHA zählt, ist es in Bayern
genau umgekehrt. Alleine in Hessen herrscht eine Parisituation.
Bei
der relativen Verteilung der Regionen zeigt sich besonders die Stärke der EWU
im Norden und Osten Deutschlands:
Anmerkung:
Die Verbände haben eine unterschiedliche Differenzierung der Regionen. Während
die EWU in Rheinland und Westfalen differenziert, wird bei der DQHA eine Regionalgruppe
NRW geführt. Wir haben dieses bei der Darstellung berücksichtigt und daher für
Nord eine einzige Summe gebildet, da hier die größten Unterschiede zwischen DQHA
und EWU bestanden. Doppelt so viele Turniere und doppelt so viele Starts
bei der EWU - mindestens
Insgesamt verzeichnet die EWU auf den 107 Turnieren
im letzten Jahr fast doppelt so viele Starts wie der Quarter Horse-Sport, der
65 AQHA-Shows an 33 Orten verzeichnete. Den 17.153 AQHA-Starts stehen 27.231 Starts
in den EWU-Klassen entgegen.
Davon
finden 32% auf 22 A-Turnieren (Turniere mit Qualifikation zur DM), weitere
15% auf 11 B-Turnieren (Landesverbandsmeisterschaften) und 53%
auf den 74 C-Turnieren (Landesverbandsturniere) statt. Die tatsächliche Differenz zwischen den EWU- und AQHA-Reitern
dürfte allerdings noch stärker ausfallen aufgrund von zwei Merkmalen:
- AQHA-Reiter werden oft mehrfach gezählt, denn sie
reiten überwiegend in Zweifach-, Dreifach oder Vierfachshows, womit aus einem
Starter gleich vier Starts werden können.
- EWU-Reiter starten deutlich regionaler als AQHA-Reiter,
da ihr System überregionale Turnierteilnahmen recht unattraktiv macht. AQHA-Reiter
ziehen dagegen vermehrt „durch die Lande“, die Pilgerreisen nach Kreuth oder Wenden
seien nur zwei von vielen Beispielen.
Deutliche regionale Unterschiede Besonders
stark ist der EWU-Sport in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen
vertreten, 55% aller Starts finden in diesen Bundesländern statt.
Der Quarter Horse-Sport findet in Kreuth statt
Ein
ganz anderes Bild zeichnet sich im Quarter Horse-Sport ab, hier findet jeder zweite
Start in Bayern statt, vor allem dem Turnierzentrum Kreuth kommt dabei eine besondere
Bedeutung zu. Mit dem Wechsel der Turniere von Vaterstetten nach Kreuth und dem
Ausfall des JOMM Ranches-turnier in Großwallstadt in diesem Jahr wird sich die
Situation dort noch verstärken.
Signifikanter
Unterschied zwischen EWU- und AQHA-Sport: der Turniersport der EWU steht geographisch
betrachtet auf einem ungleich breiteren Fundament als der AQHA-Sport. Denn
während die EWU durch ihr Qualifikationssystem zur Deutschen Meisterschaft gezwungen
ist, in nahezu allen Bundesländern Turniere anzubieten, konzentrieren sich die
AQHA-Turniere auf lediglich acht Bundesländer, 90% aller Starts finden in drei
Bundesländern statt: Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zum
Vergleich: Bei der EWU finden 90% der Starts in 10 Bundesländern statt.
W. Pleasure ist die beliebteste EWU-Disziplin
Vier
Disziplinen sind besonders beliebt im EWU-Sport, 87 % aller Starts entfallen auf
sie: W. Pleasure, (24%), W. Horsemanship (23%), Trail (22%) und Reining (17%).
Dabei
wird die W. Pleasure als Gruppenklasse dennoch von den EWU-Reitern nicht als klassische
Einsteigerdisziplin verstanden. Zwar entfallen 59% aller Pleasure-Starts auf die
C-Turniere, allerdings entfallen auch 59% aller Turniere auf diese Landesverbandsturniere. Nur
noch 4% der Starts werden in W. Riding gemacht, Jungpferde, Superhorse und Showmanship
folgen auf den Plätzen. Die
meisten Starts finden, statistisch gesehen, in der Jungpferde-Prüfung statt, 10,5
Starts je Prüfung sind dort zu verzeichnen. Etwas mehr als in der W. Horsemanship
(10,3) und der W. Pleasure (9,5).
Mehr Profis bei der AQHA, mehr Amateure und Jugendliche
bei der EWU
Beim
Vergleich der Leistungsklassen der EWU mit den Divisions der AQHA wird deutlich,
dass der Anteil der Openstarts bei der AQHA deutlich höher ist als bei der EWU,
diese hingegen mehr Amateur- und Jugendstarts verzeichnet. 39%
beträgt der Openanteil bei der AQHA, 16% bei der EWU. Allerdings
sei hier angemerkt, dass eine saubere Überleitung von AQHA- zu EWU-System nicht
möglich ist. Während die Pofis bei der AQHA in der Openklasse starten müssen (und
Amateure können), müssen Starter der EWU Leistungsklasse 1 erst die Qualifikation
für einen LK1-Start durch das Sammeln von Punkten nachweisen, (Semi-) Profis findet
man bei der EWU, wie starke Amateure, durchaus in den LK 2 oder LK 3. Die
Vielfalt der EWU-Leistungsklassen (LK1 A -
LK5 B) mag auf den ersten Blick verwirrend sein, führt aber letztendlich dazu,
dass unterschiedliche Reitniveaus etwas feiner differenziert und damit die Teilnehmerfelder
etwas homogener sind. Mit einer geplanten Einführung von Leistungsklassen für
die Pferde wird diese Differenzierung, ganz nach klassischer Lesart, auf das Pferdematerial
erweitert.
Zusammengefasst gesagt, hat
der AQHA-Sport in Deutschland einen ungleich größeren blinden Fleck als der EWU-Sport,
der in doppelt so vielen Bundesländern stattfindet und doppelt so viele Starts
verzeichnet. Die
führende Rasse im EWU-Sport ist das Quarter Horse, besonders beliebt sind W. Pleasure
und W. Horsemanship. Die
EWU hat einen höheren Amateuranteil, bei dem QH-Sport überwiegt der Profianteil
deutlich.
Fazit 1. Es gibt mehr Gemeinsamkeiten zwischen EWU und DQHA,
als manchem eigentlich bewusst und/oder lieb ist.
- Beide Verbände haben eine eigene, nahezu in sich
geschlossene Zielgruppe, die aber das gleiche tut – Westernreiten. Die kann die
Trennung nicht immer verstehen – und will es manchmal auch nicht, besonders Ein-
und Umsteiger.
- Die führende Rasse im EWU-Sport ist das American
Quarter Horse – die Rasse, der sich die DQHA verschrieben hat.
- Zwei der „klassischen“ Quarter Horse-Disziplinen
gehören zu den beliebtesten EWU-Disziplinen, W. Pleasure und Reining. Und dafür
gibt es in Deutschland auch eigene Rasse- und Zuchtverbände, die NSBA und die
NRHA.
2. Die Unterschiede zwischen EWU und DQHA bergen großartige
Synergien – man sollte sie nur heben (wollen).
- Der Amateur- und Jugendbereich ist im EWU-Sport
stärker ausgeprägt, im Quarter Horse-Sport ist es der Profibereich. Eine Zusammenarbeit
in Programmen für diese Zielgruppe kann für beide Verbände Früchte tragen -
im Turniersport könnte es der EWU helfen, ihr Profil zu schärfen, eine
Zusammenarbeit in der Basisarbeit kann der DQHA Zugang zu den Quarter Horse-Reitern
an der Basis geben.
- Die geographischen Stärken der beiden Verbände
können sich gegenseitig unterstützen, eine enge Kooperation z. B. zwischen den
Landesgruppen in Bayern oder denen in den neuen Bundesländern. Die Baden-Württemberger
machen es vor (wittelsbuerger.com vom 25.02.07).
Ideen
wie die Basis Certificates der DQHA sind bei der EWU seit Jahren implementiert,
hier nennt man es Basispass. Das wäre einer von vielen Anknüpfungsmöglichkeiten,
die zwischen den beiden Big Playern existieren. Warum sollte sich die DQHA beim
Basispass nicht einklinken und gemeinsam Breitensportarbeit mit der EWU betreiben? Der
EWU fehlt es dagegen immer noch an Profil im Spitzensport. Man assoziiert sie
mit der Ausbildung natürlich dem Breitensport, aber beim Topsport ist die Wahrnehmung
wesentlich stärker auf den Quarter Horse-Sport in Deutschland gerichtet. Die EWU
könnte von gemeinsamen Programmen mit der DQHA in diesem Punkt deutlich profitieren. Der
verkehrte Weg wäre es, wenn die Verbände ihre eigenständigen Identitäten dabei
verlieren oder ihre Zielgruppen verprellen würden. Aber die Vermarktungsspannen
im letzten Jahr haben deutlich gezeigt, dass es Handlungsbedarf gibt. Die Vorteile,
die die beiden großen Verbände bei einem gemeinsamen Marketing des Westernsports
hätten, werden groß genug sein, dass für jeden der beiden ausreichend „Kuchen“
übrig bliebe, eine klassische Win-Win-Situation ist machbar und möglich. Auf
regionaler Ebene trägt ein Zusammengehen bereits Früchte, und offensichtlich sind
viele Mitglieder der Verbände weiter als ihr Verbandsalltag (wittelsbuerger.com
vom 25.02.07). Jetzt
sind konzeptionelle Ideen gefragt, die von den Spitzen ausgehen müssen. Heinz
Montag und Hans-Jürgen Förster sind da sicherlich die richtigen Personen, denen
historische Animositäten fern liegen. Sie haben nun die Möglichkeit, den Grundstein
für ähnlich Historisches zu legen, diesmal sogar im positiven Sinne. Was
meinen Sie zu diesem Thema? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Und - was sind
Ihre Erwartungen und Ideen für die Zukunft? Teilen
Sie sie uns mit im Diskussionsforum. Zum
Thema EWU
und DQHA arbeiten in Baden-Württemberg zusammen AQHA-Turnierszene:
Endgültige Analyse mit der Hauptschau Q6 in Aachen
pdf-Download Erste
Westernreiter Union (EWU) und Deutsche Quarter Horse Assn. (DQHA) – die
beiden Big Player im sportlichen Vergleich Hinweis:
Die Datenbasis für unsere Analyse und detailliertes Zahlenmaterial kann bei uns
jederzeit angefordert werden.
Fragen? Die 17 wittelsbuerger.com-Experten helfen gerne weiter, z.B.
Petra Roth-Leckebusch für den Bereich EWU. Zum
wittelsbuerger.com-Expertenforum gelangen Sie hier.
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